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Erster Stolperstein in Erfurt: Ein neuer Schritt im Gedenken

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Erfurt, die Landeshauptstadt Thüringens, bekommt eine neue Form des Gedenkens. Am 31. Mai 2024 um 14 Uhr wird im Rahmen des 103. Deutschen Katholikentags in der Trommsdorffstraße 5 der erste Stolperstein der Stadt verlegt. Dieser erinnert an den jüdischen Kaufmann Karl Klaar, der dort wohnte und ein Geschäft betrieb.

Gedenkbeschluss und Bedeutung der Stolpersteine

Der Erfurter Stadtrat beschloss am 27. September 2023, das öffentliche Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur auch durch Stolpersteine zu erweitern. Zuvor wurden bereits neun Denknadeln im Stadtgebiet aufgestellt, die an die Bewohnerinnen und Bewohner Erfurts erinnern, die als Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen vertrieben, verhaftet und getötet wurden. Oberbürgermeister Andreas Bausewein erklärte bei einer Pressekonferenz: „Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ist eine, wenn nicht die wichtigste Generationenaufgabe. Die Stolpersteine haben sich bundesweit als sichtbare Form des Gedenkens etabliert. Ich freue mich, dass wir nun so in Erfurt an das Gedenken durch unsere Denknadeln anknüpfen.“

Das Konzept der Stolpersteine

Die Stolpersteine wurden von Gunter Demnig erfunden und werden von seiner Stiftung betreut. Mit über 100.000 verlegten Steinen (Stand 2023) gelten sie als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Die Stolpersteine machen die Spuren des nationalsozialistischen Terrors an den Wohnorten der Opfer sichtbar und erinnern an das Leid, das ihnen widerfuhr. Die glänzenden, ins Pflaster eingelassenen Steine sind aus vielen Städten bereits bekannt und werden vor den Häusern der Opfer verlegt.

Erster Stolperstein für Karl Klaar

Der erste Stolperstein in Erfurt wird von Gunter Demnig persönlich verlegt und erinnert an Karl Klaar, geboren am 10. Juli 1890. Der jüdische Kaufmann betrieb die „Erfurter Tapisserie-Manufaktur Klaar und Schloss“ in der Trommsdorffstraße 5. Klaar wurde ab 1930 in mehrere Heilanstalten eingewiesen und am 28. November 1940 im Rahmen der Aktion T4 in Bernburg ermordet. Prof. Dr. Julia Knop vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken betonte: „Mit der Verlegung des ersten Stolpersteins in Erfurt will der Katholikentag ein deutliches Zeichen setzen. Es ist uns wichtig, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Gerade jetzt, in Zeiten des in ganz Deutschland wiedererstarkenden Antisemitismus, dürfen wir darin nicht nachlassen.“

Beteiligung der Stadtgesellschaft

Im Rahmen der Recherchearbeit konnten Angehörige von Karl Klaar in Chile ausfindig gemacht werden. Valeria Navarro Rosenblatt, Klaars Urgroßnichte, berichtete aus Chile, wie sehr ihre Familie von der Nachricht der Stolpersteinverlegung berührt sei. Schülerinnen und Schüler der gegenüberliegenden Edith-Stein-Schule werden zum Verlegungstermin biografische Daten aus Klaars Leben vortragen und die Pflegepatenschaft für den Stolperstein übernehmen.

Zukunftspläne und Bürgerbeteiligung

Die Stadtverwaltung Erfurt lädt alle interessierten Bürgerinnen und Bürger, Vereine und Initiativen am 23. Mai 2024 um 17 Uhr in die Kleine Synagoge ein, um über die zukünftige Koordination der Stolpersteinverlegungen zu informieren. Gesucht wird ein zentraler Ansprechpartner, der zukünftige Verlegungen zwischen Antragstellern, Nachfahren und Stadt koordiniert, eine Übersicht der Stolpersteine aktuell hält und Pflegepatenschaften vergibt. Dieses Modell der zivilgesellschaftlichen Beteiligung wird bereits in vielen anderen Städten erfolgreich praktiziert. Die Stadtverwaltung Erfurt wird diesen Prozess aktiv begleiten und unterstützen.

Foto: Katja Demnig

Ronald Rassmann
Author: Ronald Rassmann

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